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Vielleicht trägt die Waldviertlerin gerade deshalb den vielsagenden Titel „Österreichs mutigste Motorradfahrerin“, den sie im Rahmen ihrer Teilnahme an einer der anspruchsvollsten und gefährlichsten Rallys der Welt verliehen bekam. Gleich dreimal ging die Abenteurerin mit ihrer Suzuki DR-650 (Kosename „Thunder“) bei dem ultimativen Offroad-Event an den Start. Jedes Mal erreichte sie als einzige Frau im Teilnehmerfeld und als eine der wenigen überhaupt das Ziel. Ihre aufregende Fahrt begann bereits Jahre zuvor, wie Claudia Honeder in ihrer spannenden Geschichte schildert.
Erfolgreich im Ziel angelangt: Claudia Honeder und ihre Suzuki DR650 „Thunder“ bei der Raid de Himalaya 2010
Weil man Lebensträume nicht verschieben kann
„Im August 2005 startete ich mit meiner geliebten Suzuki DR650 (Baujahr 1999) zu einer Weltreise. Niemals hätte ich mir damals träumen lassen, dass ich im Jahr 2022 und nach mehr als 90.000 zurückgelegten Kilometern noch immer unterwegs sein würde. Denn eigentlich führte ich als 35-Jährige bis zu meiner Abreise ein ziemlich normales Leben. Ausschlaggebend war damals vor allem die alles verändernde Frage, die ich mir selbst stellte: „Was wäre, wenn ich nur mehr einige Monate zu leben hätte, wenn schon morgen alles vorbei wäre?“
Mit einer Suzuki DR650 und Trick & Track auf große Weltreise
So kam es, dass ich meine Suzuki gemeinsam mit Alfred (Trick) monatelang auf die Reise vorbereitete. Zu den wichtigsten baulichen Veränderungen an meiner geliebten „Thunder“ zählten neben Gepäckkisten aus Alu auch ein 23 Liter fassender Plastiktank für längere „Durststrecken“ sowie eine Rolle aus Fiberglas vor dem Motor für das schwere Werkzeug. Später stieß dann auch Martina (Track) dazu. Und so kam es, dass ich 2005 zusammen mit Trick und Track quer durch Ungarn, Serbien, Bulgarien und die Türkei bis in den Iran reiste. Dort wurden wir nicht selten von der Polizei angehalten, die aber weniger Interesse am Papierkram hatte, als vielmehr an unseren großen Motorrädern. Denn die waren zu jener Zeit im Iran verboten. Verboten günstig waren auch die damaligen Benzinpreise: Mit fünf Euro für fast 70 Liter heute absolut undenkbar.
Im Anschluss durchquerten wir unfassbar schöne Gebirgslandschaften und Wüsten, um in Baluchistan (Pakistan) zu fahrenden Zielscheiben für Kinder zu werden, die sich wohl im Steinewerfen übten. Während wir von einem Jeep mit vier mit Kalaschnikows bewaffneten Polizisten durch den turbulenten Verkehr der Stadt Loralai eskortiert wurden und in einer Polizeistation übernachten durften. Alles nur zu unserer Sicherheit, weil sie so einer Entführung oder Schlimmerem zuvorkommen wollten. Schwer beschützt ratterten wir mit unseren Begleitern im Schlepptau über anspruchsvolle Straßen voller Sand und manchmal über schier unbezwingbare, mit Schlaglöchern übersäte Pisten.
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Indien: Keine Zeit für Tagträume
Im Dezember 2005 erreichten wir schließlich Indien und wurden von der Wucht des chaotischen Verkehrs willkommen geheißen. Indien ist ein dichtes Durcheinander an Menschen, Farben, Religionen, Tempeln, prächtigen Bauwerken, Dreck, Armut, Reichtum, Tieren und Fahrzeugen. Das wichtigste Utensil im Straßenverkehr ist die Hupe. Je lauter, desto besser. Offizielle Straßen sind zumeist mit sandigen Pisten oder besseren Feldwegen zu vergleichen, auf denen man sich über Stock und Stein teils nur meterweise vorwärts kämpft.
Tagträumen ist hier ein striktes No-Go und absolut lebensgefährlich. Auf den wunderschönen Bergstraßen lauern Gefahren hinter jeder Ecke. Glücklicherweise konnte ich den Frontalkontakt stets vermeiden, und landete nur einmal in einem tiefen Graben. Noch heute bin ich verwundert, dass ich die insgesamt acht Jahre auf dem indischen Subkontinent weitestgehend unbeschadet blieb. Bis zu jenem Tag, an dem ich im Lotustempel von Delhi dem Universum dafür dankte und kurz danach aufgrund einer kurzen Unachtsamkeit direkt von einem Motorradfahrer niedergemäht wurde.
Politische Unruhen in Nepal
Nichtsdestotrotz bahnten wir uns unseren Weg weiter bis nach Nepal, das wir zu einer Zeit schwerer politischer Unruhen erreichten. Straßenschlachten, Straßensperren und wütende Protestmärsche machten ein Weiterkommen schier unmöglich. Wir fanden Zuflucht in einem buddhistischen Tempel in Lumbini und machten uns bald auf nach Ladakh. Gelegen im Norden Indiens zeichnet es sich durch absolute Einsamkeit, atemberaubende Berge und die zum Teil höchstgelegenen Straßen der Welt mit Pässen über 5.000 Höhenmeter aus. Für Motorradfahrer bedeutet dies auch eine Tortour aus Schlamm, Sand, Wasserpassagen, Eis und sonstigen Hindernissen. Wer liegen bleibt oder Hilfe braucht, muss mitunter stunden-, wenn nicht sogar tagelang warten.
Raid de Himalaya – als einzige Frau bei der gefährlichsten Offroad-Rallye der Welt
Zurück in Manali, landete ich im Oktober 2006 zufällig beim Start der „Raid de Himalaya“, dem höchsten Motorsport-Event der Welt. Auf die Teilnehmer warten dabei Strecken, die teilweise aus Eis, Schnee, anspruchsvollen Wasserdurchfahrten oder Schlammpassagen bestehen. Oft geht es neben den Schotterpisten Hunderte Meter in die Tiefe, wo man nicht selten noch die Reste von Vehikeln erkennen kann, die nicht mehr rechtzeitig die Kurve kratzen konnten. Insgesamt dauert die Rallye rund sieben Tage und führt über 2.000 Kilometer über Pässe zwischen 3.300 bis 5.600 Höhenmeter. Ein harter Kampf nicht nur wegen der extrem dünnen Luft, sondern vor allem wegen der ständig drohenden Gefahren wie der Höhenkrankheit, völliger Erschöpfung und Temperaturen bis minus 20 Grad.
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Ein Jahr später gehe ich 2007 selbst an den Start, als erste Frau überhaupt und mit handfester Unterstützung von SUZUKI AUSTRIA. Auch wenn das Rennen wegen tief verschneiter Pässe frühzeitig abgebrochen werden musste, bin ich mächtig stolz auf den 3. Platz in meiner Klasse bzw. den 5. in der Gesamtwertung. Ein weiteres Jahr später ist es erneut der 5. Platz in der Gesamtwertung. Von den 38 Motorradfahrern, die gestartet waren, kamen nach acht Tagen und rund 2.026 Kilometern nur 15 ins Ziel und ich bin eine davon!
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Wenn Mensch und Motorrad leiden
Ein Jahr später (2010) engagierte mich das fünfköpfige Team Austria mit Moto-X-Pilot Helly Frauwallner als Organisatorin für die Raid. Statt einer Gage durfte ich selbst wieder mit an den Start gehen. Diesmal schafften es von 28 Fahrern nur mehr zwölf ins Ziel. Immerhin drei davon zählten zum Team Austria. Mit darunter auch ich, die den stolzen 4. Platz erreichen konnte und das mit meiner Suzuki, die mich seit fast 100.000 Kilometern noch nie wirklich im Stich gelassen hatte!
Auf nach Thailand
Während meinem anschließenden längeren Aufenthalt in Indien führte ich immer wieder selbst Motorradtouren in Indien und Nepal an, um die Reisekassa aufzufüllen. 2014 wurde meine „Thunder“ schließlich von Delhi über Mumbai nach Bangkok verschifft. Thailand begrüßte mich mit tollen Straßen und einer ausgezeichneten Infrastruktur. Dennoch zerstörte ich im Jahr 2015 den Vergaser meiner Suzuki und plagte mich selbst mit immensen Rückenschmerzen herum. Trotz niederschmetternder Diagnose in Österreich ließ ich mich nicht unterkriegen und versuchte, mich in Ladakh selbst zu heilen. Nur mithilfe der Gedanken, einer Unmenge an Selbstreflexion und jeder Menge psychischer sowie physischer Schmerzen.
Nach einigen Monaten saß ich wieder auf einem Motorrad – leider keine Suzuki. Meine weitere Reise zum eigenen Ich führte mich anschließend nach China, wo ich Heilungs-Qigong von einem Meister erlernen wollte. Sobald der Rücken wieder halbwegs mitmachte, sollte es im Jahr 2018 nach langer Leidensphase endlich nach Kambodscha und Laos weitergehen. Nur die Elektrik meiner „Thunder“ schien nicht mitspielen zu wollen. Regelmäßig sprang sie einfach nicht an.
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Und dann kam Corona…
Erst ein Jahr später stellte sich nach langer Fehlersuche heraus, dass eine defekte Pickup-Coil die Ursache war und aufgrund fehlender Ersatzteile in Kambodscha der gesamte Rotor ersetzt werden musste. So bekam meine geliebte Suzuki mit ihren nun fast 128.000 Kilometern nach monatelanger Wartezeit endlich eine wohlverdiente Rundumerneuerung. Allerdings machte mir ein fehlerhafter Vergaser erneut einen Strich durch die Rechnung, weshalb ich ohne meine „Thunder“ nach Thailand reisen musste. Dort wollte ich eigentlich nur zwei Monate bleiben. Doch dann kam Corona dazwischen und ich nicht mehr zurück nach Kambodscha.
So lebe ich seit Jänner 2020 erstmals seit Beginn meiner großen Motorradreise im Jahr 2005 für längere Zeit an ein und demselben Ort. Während ich die Tage am Strand, bei Meditation, Yoga und Qigong verbringe, wartet meine „Thunder“ in der Obhut eines australischen Pärchens in Kep Gardens auf meine Rückkehr. Gemeinsam betreuen sie eine Schule für arme kambodschanische Kinder und sind immer dankbar für Unterstützung jeder Art: www.kepgardens.com.
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Werde ich je weiterreisen? Und wenn ja, wie?
Bisher war ich immer ohne GPS unterwegs und möchte dies auch gerne so beibehalten. Mein erstes Smartphone bekam ich im Dezember 2021 in die Hände. Mich plagen wichtigere Fragen: Wie komme ich ohne „Carnet de Passage“ weiter, also dem Grenz- und Zolldokument für die vorübergehende zollfreie Einfuhr eines Fahrzeugs? Werde ich mit meiner treuen Suzuki ganz Südamerika bereisen?
So oder so möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von SUZUKI AUSTRIA für ihre tatkräftige Unterstützung ein riesiges Dankeschön an aussprechen. Vor allem an all jene, die während der letzten 16 Jahre meiner Reise zu treuen Freunden geworden sind. Danke aus ganzem Herzen für eure Zeit, eure Ratschläge, für euer Sponsoring und eure selbstlose Hilfe. Ich hätte mir kein besseres Motorrad und kein netteres Team zur Unterstützung meiner ganz persönlichen Reise wünschen können!“
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